Es gab einmal eine Zeit, wo sich viele Menschen unter dem Dach Queer wiederfanden. Queer ist bekannterweise die Definition eines Sammelbeckens für Cis-Frauen/Männer, Queergender, Schwule, Lesben, Inter*, Trans*, Heteros … und die Bezeichnung für all jene, die sich nicht in eine Schublade pressen lassen wollen. Aber jedes Deckelchen will genannt werden und deswegen fing man an sich mit einem Buchstaben auszugrenzen bzw. besonders hervorzuheben, was nicht sonderlich förderlich ist.
Queer statt LGBTIQ …
Zur Erinnerung: Übersetzt bedeuten diese Buchstaben Lesbian – Gay – Bi – Transgender – Inter – Queer. Die Pünktchen stehen für andere Buchstaben, die fleißig von irgendwem angehängt werden. Es gab und gibt auch noch andere Buchstaben für gewisse Begebenheiten. So gibt es unter anderem FLTI. Das bedeutet z.B. hier ist ein Angebot für Frauen – Lesben – Trans und Inter anzutreffen. Liest sich das dann so: FLTIN*, dann sind noch non-binäre Personen willkommen.
Das Problem dabei ist, dass die genaue Definition fehlt. So regen sich schon mal Lesben auf, wenn da wer recht maskulin am Tisch sitzt und sich als Transmann ausgibt. Darüber hinaus sind anderswo Transfrauen keine Frauen, im L-Club ist Frau der Meinung, Trans* kann schon mal gar nicht lesbisch sein, ist ja ein Kerl gewesen (und immer noch). Also, wohin mit der Transe?
Es gibt z. B. Veranstaltungen, wo nur Trans* willkommen ist. Das ist dann ein geschützter Raum (wie FLTI), wo sich Trans* austauschen oder zusammen Spaß haben können, wobei nun hier die Frage auftaucht: Wer oder was ist und gilt als Trans*? Zählt dazu auch der Fetisch? Jemand, der sich sucht und sich noch nicht festlegen kann/will? Auch jemand der einmal im Monat, alle Vierteljahr sein Frauen- oder Männerdasein ausleben will? Will ich es in „meinem“ Sinn haben, muss ich genau umreißen, wer oder was da am Tisch sitzen darf. Es wird nicht einfacher mit den vielen Buchstaben.
Zu viele Buchstaben in der queeren Suppe
Nun gibt es auch Zeitgenossen denen ist das alles zu viel mit den Buchstaben, bei LGBTT*IQA von breitgetretenen Quark sprechen. Es bleibt ja nicht dabei. Im Gegenteil. Es werden immer mehr. Das A ist schon da, P im Anflug. Beide Buchstaben haben eines gemeinsam: Es fehlt ihnen die Phobie (siehe IDOHOT). Noch sind diese Gruppen weder verfolgt noch Jahrzehnte lang diskriminiert worden. Ich verspüre jedenfalls keine Lust das alles auseinander zu definieren, zudem mein Buchstabe Z für Zweigeist noch nicht mal geboren wurde. Ich bin ja auch wer, habe ein Recht auf mein Z in der Reihe von LGBTIQ. Stelle mich auch ganz hinten an.
Rollenspiel
In einem Café sitzen „Liebe Alle“ sich gegenüber, sich kennengelernt, tauschen sich nun aus.
P1) „Ich bin schwul.“ „Aha.“ (aus der Runde)
P2) „Und ich bin lesbisch.“ Wieder ein „Aha.“ (aus der Runde)
P3) „Ich bin aber Trans.“ | P2: „Bist du schwul oder lesbisch?“
P3) „Derzeit das A in LGBTI*QA“ | P1: „Hä“? (füge nun bitte Deine Reaktion als P3 hinzu)
P4) „Ich bin non-binary“ (Schweigen in der Runde, man hört die Gedanken knistern)
P4) erläuternd: „Fühle mich weder als Mann noch als Frau“ (irritierende Blicke) | „Du bist doch eine Frau.“ (jemand aus der Runde) (füge bitte deine Reaktion als P4 hinzu)
P5) „Ich bin Queer.“ (füge deine Reaktion hinzu)
Wir sind Queer
Es mag für den einen, die andere wichtig sein, sich zu definieren. Wiederum gibt es welche, die sich nicht festnageln lassen wollen. Ich kenne einige Personen, wo das Geschlecht keine Rolle spielt, sie nicht wollen, dass man sie als weibliche oder männliche Person anredet. Das ist die Königsdisziplin in Sachen Kommunikation und anfangs total schwer. Ich durfte eine Zeitlang einen liebgewonnenen Menschen mit der Suche nach sich selbst begleiten. Für mich zählt der Mensch, nicht die Sexualität. Und wenn zwei Seelen zusammen im Takt des Lebens schwingen, geht kuscheln+ immer.
Ich bin „lesbisch“ oder „schwul“ hat viele Jahre, trotz vieler Repressalien, gehalten. Ich bin „Trans* hat sich mittlerweile „eingebürgert“ (allgemein), weswegen mancherorts von einem neuen „Schwulsein“gesprochen wird. Es steht aber trotzdem hier und da die Frage im Raum: Bin ich Trans*? Bin ich Frau/Mann? Schwul oder lesbisch? Gar Genderqueer?
Auch diese Fragen war ich ausgesetzt. Mein „Vorteil“ aus der Schule des Lebens ist aber der, dass ich als „Freiwild“ aufgewachsen bin, dadurch keine Schranken dieser Art im Kopf habe. Das hat zwar manchmal weh getan, es gibt aber schlimmeres. Diese dort verursachten Wunden heilen. Die später hinzugefügten psychischen Verletzungen aber nicht (oder nur selten). Dies nur am Rande.
Aber sind wir nicht alle queer, schräge Vögel, Queerulanten in der ach so feinen heteronormativen Gesellschaft?
Die Antwort kann sich jede_r selbst geben. In diesem Sinne.
Weiterführender Gedankenlink: Schluss mit der LGBTQI*+-Buchstabensuppe!
aktualisiert: 22.07.2019 | Beitragsbilder: pixabay / pexels