Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (keine Geschlechtsidentität) können gegenüber dem Standesamt erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag durch eine andere in § 22 Absatz 3 vorgesehene Bezeichnung ersetzt oder gestrichen werden soll.
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(3) Durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ist nachzuweisen, dass eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt.
Der Weg zum 3. Geschlecht
oder zu jenen
„… die nicht wissen, ob sie beim Pinkeln noch stehen dürfen oder schon sitzen müssen.“
AKK
Gesetzestreue Trans* und nonbinäre Menschen konsultierten ihre Vertrauensärzte, begaben sich mit der ärztlichen Bescheinigung daraufhin zu den Standesämtern und stellten den Antrag auf Änderung des Personenstands mit Namensänderung. Das blieb natürlich nicht unbemerkt in Berlin, worauf das Heimatministerium April 2019 ein “Rundschreiben” mit „Anwendungshinweisen“ den Standesämtern zukommen ließ.
Fremdbestimmung über die Geschlechtsidentität
Und so geschah es, dass manches Standesamt der nachgereichten Weisung aus dem Heimatministerium, die als „rechtsstaatlich kritikwürdige Einschüchterung“ im Familienministerium geführt wird, Folge leistete. Einige wenige wiederum nicht. Diese „Gebrauchsanweisung“ beinhaltete, dass eine Personenstands- und Namensänderung nach § 45b des PStG (3. Geschlecht) nur für Intersexuelle Menschen gilt (korrekte Schreibweise Inter*/Inter).
Transsexuelle und Menschen, die sich weder in der Kategorien «Frau» noch «Mann» wiederfinden (non-binär oder genderqueer), müssen ihr Geschlecht und ihren Namen über das Transsexuellengesetz (TSG) ändern.
Dass das Bundesverfassungsgericht, das TSG in vielen Teilen wegen gravierenden Menschenrechtsverletzungen kassiert hat, weswegen es seit Jahr und Tag den Kampf um die eigene Geschlechtsbestimmung gibt, ist, wie das Innenministerium aufzeigt, nicht von Belang.
Mittlerweile sind einige Klagen diesbezüglich auf dem Weg, denn so manche:r dort in den Standesämtern sieht sich als verlängerten Arm des Heimatministeriums, obwohl sie nicht weisungsgebunden sind. Dienstbeflissen wie sie oftmals sind, verlangen sie auch schon mal vom Arzt eine genaue Diagnose oder verweigern gar gänzlich den Vorgang nach § 45b des PStG. Es kam wie es kommen musste, dem Bundesgerichtshof lag eine Klage einer nichtbinären Person zur Verhandlung vor, die eben auf den Geschlechtseintrag “divers” nach § 45b des PStG bestand.
Das Urteil des BGH
Der Anwendungsbereich der § 45b, 22 Abs.3 PStG ist auf Personen beschränkt, die körperlich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuzuordnen sind. Personen mit lediglich empfundener Intersexualität (Geschlechtsidentität) sind hiervon nicht erfasst.
Personen mit einer lediglich empfundenen Intersexualität können aber entsprechend §8 Abs.1 TSG erreichen, dass ihre auf „weiblich“ oder „männlich“ lautende Geschlechtsangabe im Geburtenregister gestrichen oder durch „divers“ ersetzt wird.
Jetzt sind wir wieder ganz am Anfang. Und worum geht es letztendlich? Lesen bildet: Trans* – Fabelwesen am Rande der Gesellschaft
Es ist natürlich bitter, dass ausgerechnet in der Bundesrepublik, die sich gerne als Vorzeigedemokratie bezeichnet, nicht das möglich ist, was anderswo eine kleine Amtshandlung bedeutet.
Das Urteil des BGH ist aber nicht das Ende!
Update 16.06.2020
#queer #transrightarehumanright
Verfassungsbeschwerde für selbstbestimmten Geschlechtseintrag
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte will durchsetzen, dass Menschen einen unzutreffenden Geschlechtseintrag auch ohne ärztliche oder psychologische Begutachtung ändern lassen können. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. (Deutschlandfunk)
Petition #sagteslaut
Niemand im Standesamt, auch kein:e Gutachter:in, kann urteilen, wer und was ich bin.
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